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Werkstattgespräch

 

Die Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien, an der das Collegium Carolinum als Kooperationspartner beteiligt ist, vergibt Gaststipendien für Forschungsaufenthalte. In diesem Zusammenhang laden das Collegium Carolinum und die Graduiertenschule herzlich zu einem Werkstattgespräch mit einer der diesjährigen Stipendiatinnen ein:


PhDr. Radka Šustrová (Prag)
"Jenseits des nationalen Konflikts: Wohlfahrt und Nationalismus im Protektorat Böhmen und Mähren"

am 15. September 2014, 14.00 Uhr, im Seminarraum des Collegium Carolinum
(Hochstr. 8 / 2. Stock, München)

 

Neben der Repression bildete die Sozialpolitik einen konstitutiven Bestandteil der Besatzungspraxis im Protektorat Böhmen und Mähren. Grundlegend für die dortigen Lebensbedingungen waren in diesem Zusammenhang zunächst die große rüstungswirtschaftliche Bedeutung der Region sowie die umfangreichen Pläne zur Germanisierung der tschechischen Bevölkerung, ferner die für die Sozialpolitik verfügbaren wirtschaftlichen Ressourcen. Allerdings besaßen noch weitere Faktoren Einfluss darauf, in welchem Maße die Menschen von diesem Wohlfahrtssystem profitierten. So scheint es, dass die Gründung der tschechischen Sammlungsbewegung Národní souručenství (Nationale Gemeinschaft) eine wichtige Rolle für die Organisation der Wohlfahrt im Protektorat sowie für die Verteilung sozialpolitischer Leistungen unter der Bevölkerung spielte. Einher ging dies mit einer systematischen Konsolidierung einer tschechischen solidarischen "Gemeinschaft" durch eine intensive Verwendung nationaler Symbole und Traditionen. Die Sozialpolitik erscheint somit als ein wichtiges Instrument für die Durchsetzung sowohl tschechischer als auch deutscher Interessen im Protektorat – allerdings unter unterschiedlichen Vorzeichen: Ging es den tschechischen Verantwortlichen vor allem um die nationale Selbstbehauptung unter den Bedingungen der Okkupation, wollte die deutsche Besatzungsmacht die tschechische Bevölkerung für das Protektorat – und damit auch für das „Dritte Reich“ – mobilisieren.

PhDr. Radka Šustrová arbeitet als Historikerin am Masaryk-Institut und Archiv der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik in Prag. Sie studierte Geschichte und Politikwissenschaft an der Karls-Universität Prag. In ihrem Dissertationsprojekt befasst sie sich mit der Sozialpolitik im Protektorat Böhmen und Mähren im Kontext des deutschen und tschechischen Nationalismus. Ferner beschäftigt sie sich mit der Geschichte der deutschen Minderheit in Böhmen und Mähren sowie der Geschichte von Kindern und Jugendlichen im Zweiten Weltkrieg, so verfasste sie die Studie Pod ochranou protektorátu: Kinderlandverschickung v Čechách a na Moravě: Politika, každodennost a paměť, 1940–1945 [Unter dem Schutz des Protektorats: Kinderlandverschickung in Böhmen und Mähren: Politik, Alltag und Gedächtnis 1940–1945]. Prag 2012.

 

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